Bio oder nicht?
Das Interview
Das Interview
Bio ist heute mehr als Trend. Weshalb, Jürg Rellstab, bewirtschaften Sie Ihre Obstkulturen noch immer im herkömmlichen Anbau?
Im herkömmlichen Anbau können bei Schädlingsbefall synthetische Mittel explizit eingesetzt werden, was nicht bei jedem biologischen Mittel gewährleistet ist; das heisst, das synthetische Mittel wirkt gezielt nur auf einen Schädling und verhindert so, dass auch Nützlinge in Mitleidenschaft gezogen werden. Wollen wir also die Obstkulturen von schädlichen Läusen befreien, möchten wir gleichzeitig die Marienkäfer schützen, die Nützlinge sind.
Sie verwenden demnach keine biologischen Mittel?
Biologische Pflanzenschutzmittel verwenden wir durchaus. Wir schätzen ab und prüfen sehr genau, wann wir auf ein biologisches Mittel zurückgreifen können bzw. wann wir ein synthetisches Pflanzenschutzmittel einsetzen müssen. Von den biologischen Produkten verwenden wir die besten; dies gilt auch für die synthetischen. Grundsätzlich spritzt kein Bauer unüberlegt Pflanzenschutzmittel, ob biologisch oder nicht. Neben den ökologischen Überlegungen spielt dabei auch eine nicht zu unterschätzende Rolle, dass die Mittel zum Schutz der Kulturpflanzen sehr teuer sind.
Weshalb muss überhaupt gespritzt werden? Kann der Natur nicht freien Lauf gelassen werden?
Vorbeugend treffen wir gezielte Massnahmen, um die Obstkulturen vor Krankheiten und Schädlingen zu schützen: Robuste Sorten, geeignete Baumformen (luftdurchlässig etc.) Fruchtfolge (die bestimmte Aufeinanderfolge des Anbaus verschiedener Kulturpflanzen auf einer Nutzfläche), systematischer Baumschnitt und eine schonende Bodenbearbeitung.
Von Schädlingen befallene Kulturen müssen behandelt werden, wenn die natürlichen Feinde ausbleiben. Eine Pflanzenschutzbehandlung ziehen wir jedoch erst in Erwägung, wenn ein wirtschaftlicher Schaden droht. Vor jeder Behandlung werden die Schädlinge und Nützlinge ausgezählt – mit Schädlingsfallen oder durch aufwendiges Auszählen mit der Lupe – damit, wenn überhaupt, Pflanzenschutzmittel gezielt eingesetzt werden können.
Wird bei Befall nicht gespritzt, kann ein enormer Schaden entstehen: Durch einen Schädling kann es einschneidende Ernteausfälle geben. Ich bin auf eine sichere Ernte angewiesen und trage dabei auch Verantwortung für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber auch die Verantwortung gegenüber der Umwelt, der Natur, ist mir bewusst und nehme ich sehr ernst.
Mein Grundsatz beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lautet: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Wir produzieren zwar nicht nach den Richtlinien des biologischen Anbaus, aber wir produzieren, so gut es geht, im Einklang mit der Natur. Eine nachhaltige, boden- und umweltschonende und ökologische Produktion, die dennoch wirtschaftlich ist, fordert uns jeden Tag heraus.